EIN-SCHNITT IN DIE FLÄCHE
Auszüge aus … (einem )Text von Prof. Dr. Peter Springe
Reduktion und konsequente Vereinfachung (erweisen sich) als „inspirierende Unzulänglichkeiten“, denn sie fordern alle Sinne des Betrachters, vor allem aber sein Imaginationsvermögen und seine Phantasie.
…Genau diesen fruchtbaren Punkt produktiver Beschränkung und gewinnender Verknappung bezeichnen auch die Arbeiten von Alfons Holtgreve, die als „Scherenschnitte“ nur sehr unzulänglich charakterisiert sind. Meist bedient er sich nämlich nicht der klassischen Requisiten dieser traditionsreichen Technik, spitze Schere und dünnes Papier, sondern arbeitet mit einfarbigen Plakatkartons und scharfen Klingen.
…(Holtgreves Weg) führt den 1955 in Warburg als Sohn eines Malers und Grafikers Geborenen nach der Schulzeit zunächst an die Ruhruniversität Bochum, wo er zwischen 1975 und 1977 Kunstgeschichte studiert, bevor er sich dann an der Kunsthochschule in Kassel bis 1982 zum Grafiker und Maler ausbildet.
Ziemlich genau 1985 zieht (die)…Holtgrevesche(n) Bilderwelt in das schlichtstrenge Medium des Scherenschnittes um, richtet sich dort häuslich ein und entwickelt sich prächtig: Pfeile, Stufen, Tiere, Autos, Blitze, spitzbusige Puppen und spuckende Wichte, Monster, Flugzeuge, Schmollmünder und Schlangen, summarische Schwünge und präzise Zacken - mal in monumentaler Vereinzelung, mal bildhaft-erzählend arrangiert oder zur quirligen Textur verdichtet.
Sie entfalten, mal grell und direkt, mal nuanciert und andeutend, bildnerische Eloquenz und elementare Faburlierfreude: Zweifellos, hier ist ein begabter Geschichtenerzähler am Werk. Und nicht zufällig wählt er für seine Bildergeschichten gerne friesförmige Formate. ,…
…Seit 1987 erhält Holtgreve wiederholt Aufträge für Illustrationen im Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo er neben Stars von … internationalem Renommee wie Heinz Edelmann oder Seymor Chwast sich nicht nur behaupten kann, sondern bald schon auffällt. Gleich eine seiner ersten Arbeiten, zwei monumentale Schwarzschnitte auf leuchtend rotem Grund und mit integrierten Textkolumnen zu einem Bericht über die Insel Sansibar, ist ein Meisterwerk. Es ist nicht nur dem Verlag zwei Doppelseiten wert und stellt Holtgreve einem Millionenpublikum vor, sondern macht auch die Zunft auf ihn aufmerksam: 1988 erhält er dafür die Auszeichnung des „Merit Award“ auf der „Second International Exhibition“ des Art Directors Club in New York….
…die zunehmende Zahl der Ausstellungen, wiederholte Lehraufträge an der Universität Oldenburg und seit jüngstem eine Gastprofessur an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach a.M. sind nur einige Zeichen wachsender Anerkennung für einen Künstler, der den Scherenschnitt so gründlich entstaubte….